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Daniele Varè
Geburtstag in Berlin
Erstes Kapitel aus: Der lachende Diplomat, 1938.

Vare_cafe

s hatte über Nacht geschneit. Durch ein Fenster des Klei­nen Cafés schauten wir auf den Schnee und die schneebedeckten Tische und Stühle auf der Terrasse. Drinnen war es warm, im Kamin in der Ecke brannte ein Feuer.

Bier oder Wein? Zwei Freunde stellten sich ein und meinten Glühwein sei das Beste.

Einer von ihnen, der jüngst seine umfassende Bibliothek umgeräumt und geordnet hatte und dabei auf Bücher gestoßen war, die er noch einmal lesen wollte, bemerkte nachdenklich:

„Der Schnee erinnert mich an das Eröffnungskapitel eines Buches von Daniele Varè, seine Memoiren. Heute kennt kaum jemand mehr diesen italienischen Diplomaten, aber vor achtzig oder neunzig Jahren waren seine Bücher Bestseller in Europa. Im ersten Kapitel des Lachenden Diplomaten schneit es auch — im Januar des Jahres 1900 in Berlin.

Und es ist ein wenig wie heute. Nach Jahrzehnten des Friedens, des politischen Aufstiegs und aufblühenden Wohlstands malt die Großnichte von Talleyrand einen kommenden Krieg an die Wand. Manche Menschen, wenn auch wenige, können aus der Geschichte lernen.

Heute ist die Kriegslust wieder da. Wenn ein neuer Krieg ausbricht, ist das Ende sofort klar. Ein paar haben viel Geld gemacht; die anderen Menschen stehen vor dem Nichts. Tausende sind gestorben. Für nichts. Die totale Sinnlosigkeit.“

Er sah aus, als ob er es wüsste. Ich glaubte ihm.



Vare-portrait

Daniele Varè (12. Januar 1880 – 27. Februar 1956), der ita­li­eni­sche Diplomat, den wir zum ersten Mal in seinen Memoiren sehen, als er 1900 in Berlin seinen zwanzigsten Geburtstag feiert, in hoher diplomatischer Gesellschaft speist und dann zum „Haus der drei Musiker” fährt, wo Joachim, einer der Bewohner und Leh­rer seines eigenen Lehrers Markees, Quartette spielt. An die­sem Abend beschließt er, dass es besser sei, ein kompetenter Diplomat zu sein als ein durchschnittlicher oder vielleicht sogar guter Musiker — eine Tatsache, die sowohl seine Neigungen als auch seinen gesunden Menschenverstand verdeutlicht.

Varè war ein italienischer Diplomat und Autor. Varès Vater, Giovanni Battista Varè, war Rechts­an­walt und Politiker. Er wurde von den damaligen österreichischen Behörden aus Nord­ita­lien verbannt. Seine Mutter, Elizabeth Frances Chalmers, war Schottin. Varè ver­brach­te seine frühen Jahre in Großbritannien und kehrte im Alter von elf Jahren mit seiner Mutter nach Italien zurück. Er trat 1907 in den italienischen diplomatischen Dienst ein und wurde 1912 erstmals nach China entsandt. 1909 heiratete er Elizabeth Bettina Chalmers. Zwischen 1927 und 1931 kehrte er als italienischer Botschafter bei der republikanischen Regierung in China zurück. In Peking hatte er Galeazzo Ciano (später Außenminister unter Benito Mussolini) als Untergebenen. Er war unter anderem auch beim Völkerbund, in Luxemburg, Dänemark und Island tätig. 1932, während seiner Tätigkeit als Botschafter in Dänemark, wurde er wie viele andere italienische Diplomaten vom faschistischen Regime zum Rücktritt gezwungen. Er veröffentlichte seine Memoiren „Der lachende Diplomat“ zunächst auf Englisch und erst spä­ter auf Italienisch.


Daniele Varè: Laughing Diplomat. London: John Murray. 1938.
Daniele Varè: Der Lachende Diplomat. Wien: Paul Zsolnay Verlag AG. 1938.
Daniele Varè: Il diplomatico sorridente: 1900-1940. Milano: Mondadori. 1941.


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